iPhone 7Plus vs. DSLR?

iPhone 7Plus

iPhone 7Plus mit der Doppelkamera

Nachdem mir in den letzten Tagen einige zum Teil überschwängliche Berichte über das iPhone 7Plus und speziell dessen neue Kamera untergekommen sind, habe ich mir darauf hin jetzt mal den Kamera-Teil der Apple Keynote angesehen.
Und tatsächlich: eine nette Kamera in einem netten Smartphone. (Und spätestens in ein oder zwei Jahren gibt’s bestimmt wieder was besseres, schöneres schnelleres.)

In der Keynote ist mir ein Fehler im Bereich Fotografie aufgefallen, auf den bisher scheinbar noch niemand eingegangen ist. (Das soll jetzt kein Apple-Bashing werden, sowas passiert auch anderen. Mich nervt das nur!)
Apple-Chef-Designer John Ive erklärt in der Präsentation die vielen Vorzüge der Kamera dieses iPhones. Unter anderem soll es (dank der zwei Hauptkameras) später im Herbst, nach einem Updates der Software, Portraitfotos mit geringer Schärfentiefe erzeugen, bei denen der Hintergrund in der heute so gerne verwendeten duftigen Unschärfe (Bokeh) verschwindet.
So etwas geht eigentlich erst mit „echten“ Kameras, die einen größeren Aufnahmesensor haben (DSLRs und  Systemkameras)
Warum?

Warum?
Starke Hintergrundunschärfe geht mit den typischen Smartphonekameras nicht so gut, deren Sensoren sind dafür einfach zu klein. Aber mit zwei versetzt fotografierenden Kameras kann man die Tiefe im Bild erkennen und mit etwas Softwarezauberei trennt man dann den Vordergrund vom Hintergrund, den man nun separat unscharf macht.

Professionelle Schärfenuntiefe

Die Bilder sehen dann nach der Anwendung der vollautomatischen Filterung aus, als wären sie „professionell“ mit einer großen Kamera mit großem Sensor (und großer Blendenöffnung) und deshalb minimaler Schärfentiefe aufgenommen worden.
Diese Softwarefunktion wird es zwar erst nach einem Update der Software dieses iPhones irgendwann zum Herbst hin geben. Aber trotzdem: mehr Gestaltungsmöglichkeiten, also tolle Sache!
Und der Effekt ist schon vor dem Aufnahmen im „Sucherbild“ sichtbar, noch besser, so kann man einfacher kontrollieren, ob es zum Motiv passt.

Doch an dieser Stelle der Präsentation (ca. 1:16:45) sagte Ivy etwas, das mich stutzen liess. Ich habe zurückgespult und es mir noch einmal angehört. Und tatsächlich, er sagt:

„Even High-End-DSLRs can’t do realtime deepdepth-preview(?) on their screens“

Meine geradebrechte Ãœbersetzung:
„Selbst hochwertige Spiegelreflexkameras können auf Ihrem Bildschirm keine Echtzeit-Voransicht der Schärfentiefe anzeigen.“ (Boah, Deutsch ist umständlich.)

Na, wenn er sich da mal im Überschwang des Werbe-Bla-Blas nicht getäuscht hat.
Die meisten Spiegelreflexkameras (und wohl auch die meisten anderen Kameras) verwenden als Standard eine Offenblendenansicht, bei der die Blende erst im Moment der Aufnahme auf den eingestellten Wert „springt“ (deshalb auch: „Springblende“)
Die Blende ist also erst einmal immer maximal geöffnet, erst wenn es klick macht, schliesst sie sich. Man sieht also eigentlich immer das Bild mit der minimalen möglichen Schärfentiefe, man benötigt deshalb auch keine „Softwaretricks“ um eine kleine Schärfentiefe zu simulieren. Und sieht das natürlich auch schon vor dem Auslösen beim Blick durch den Sucher. (Das ist auch sinnvoll, man hat so ein schön helles Sucherbild und kann dank der kleine Schärfentiefe auch noch besser (manuell) fokussieren.)

Andersrum wird auch kein Schuh draus

Problematisch wird es dagegen tatsächlich bei manchen Kameras, wenn man bei Aufnahmen mit kleinerer Blenderöffnung die dann ja größere Schärfentiefe schon vor dem Auslösen sehen will.
Also exakt das Gegenteil des iPhone 7s Features
Dazu benötigt man dann eine Möglichkeit, die Blende ohne auszulösen zu schliessen, man braucht eine Abblendtaste. Diese schliesst auf Wunsch, ohne auszulösen, vorübergehend die Blende, die tatsächlich bildwirksame Schärfentiefe wird so sichtbar. Gerade die von Ive angeführten High-End-DSLRs, aber auch viele einfachere Modell haben diese Taste.
Und sie funktioniert natürlich auch bei einer Live-View Betrachtung über den Kameramonitor.

Die Behauptung, dass DSLRs das nicht können, ist also in jeder Hinsicht falsch.
Ich erwarte natürlich auch gar nicht, dass John Ive auch ein Fachmann für Fotografie ist, aber irgendwo im Entwicklerteam von Apple sollte doch jemand geben, der sich da etwas auskennt. Die Funkion der Kamaerasoftware ist ja prinzipiell clever und gut (wenn sie funktioniert), da ist ein unpassender Vergleich eigentlich völlig unnötig.

Trotzdem, ein schönes Smartphone mit toller Technik (wenn die Versprechen gehalten werden).

Und die beste Kamera ist ja eh die, die man dabei hat.


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