Fotoausstellung Erich Grisar – mein Eindruck

Das Cover des Katalogs der Fotoausstellung Erich Grisar"

Der Katalog zur Ausstellung ist bei Amazon erhältlich.(*)

Im Essener Ruhr Museum in der Kohlenwäsche der Zeche Zollverein läuft seit Mitte März die Fotoausstellung „Erich Grisar – Ruhrgebietsfotografien 1928 – 1933„.
Ich habe sie mittlerweile zweimal besucht, zuletzt mit den Teilnehmern meines Kurses zur Bildgestaltung.
Erich Grisar hat in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts im Ruhrgebiet fotografiert. Seine Bilder zeigen dabei einen sehr ausgeprägten Schwerpunkt im Blick auf das Leben der Arbeiter zu dieser Zeit.
Erich Grisar stammt selber aus der „Arbeiterschicht“ und hatte ein klassisches proletarisches Elternhaus. Eine zeitlang arbeitete er als Vorzeichner in einer Kesselschmiede, bevor er „freier“ Text- und Bildjournalist und dann auch Schriftsteller  wurde. Seine Sozialreportagen, für die er meist den Text und die Fotos lieferte, erschienen in Tageszeitungen und anderen, in erster Linie politisch links angesiedelten Veröffentlichungen.Grisar wurde als Schriftsteller bekannt, seine Bücher werden auch heute noch verkauft. Seine fotografischen Arbeiten dagegen lagerten eher unbeachtet im Dortmunder Stadtarchiv und wurden dort erst vor kurzem „wiederentdeckt“. Sie bilden nun, neben einigen Originalen von Zeitungen und Zeitschriften, den Kern der Ausstellung, die sich in die drei Bereiche Städtisches Leben, Kindheit und Arbeit gliedert.

Das Konzept der Ausstellung

Für mich als „Kind des Ruhrgebiets“ war natürlich der lokale Aspekt der Bilder sehr interessant. Doch als „Gestalter“ fand ich es dann noch viel spannender, die mit der Auswahl der Bilder für eine solche Ausstellung zusammenhängenden Probleme zu sehen.
Es ist in diesem Fall ja keine an rein kunsthistorischen oder gestalterischen Aspekten orientierte Bildauswahl, sondern es spielen natürlich auch lokale und historische Gründe dabei ein Rolle. Das Ruhr Museum ist ja kein reines Kunstmuseum sondern hat auch den Aspekt eines „Heimatmuseums“.
Und so sind in der Ausstellung einige großartige Bilder zu sehen, aber es ist auch das eine oder andere darunter, das von der „künstlerischen“ Seite her eher uninteressant ist. Aber diese Bilder zeigen dann oft Aspekte der Vergangenheit, die im Rahmen dieser Ausstellung eben auch ein Rolle spielen.
Die meisten Bilder sind anscheinend vom vollen Negativ genommen, ich bin mir nicht sicher, ob der Fotograf diese auch so vergrößert hätte. Und da ja auch einige der Publikationen gezeigt werden, die Grisars Bilder nutzten, ist es möglich, sowohl die gezeigte „volle“ Fotografie als auch den in der Praxis verwendeten Ausschnitt (vom Fotografen oder vom Bildredakteur vorgenommen?) in der Fotoausstellung zu sehen. Das machte sie zusätzlich für einen Besuch mit dem Gestaltungskurs interessant und ermöglichte einige interessante Gespräche.

Generelle Fragen

Generell stellt sich hier (wie auch bei anderen Ausstellungen, zum Beispiel der Chargesheimer Ausstellung vor ca. einem Jahr am gleichen Ort) die Frage, wie man mit den im Nachlass von Fotografen überlieferten Negativen umgeht. Speziell dann, wenn es keine eindeutigen Vorgaben in Form von Vergrößerungen oder gar Dunkelkammernotizen dazu gibt.
Wählt man mehr oder weniger willkürlich einen dem eigenen Geschmack entsprechenden Ausschnitt und hofft, dem Fotografen damit gerecht zu werden? Oder nimmt man das volle Bild, auch wenn das evtl. schiefe Horizonte und unnötiges Beiwerk auf den Bildern bedeutet? Wie verfährt man mit den Kontrasten? Störendes im Dunkeln absaufen lassen oder versuchen, alle Details in einem evtl. zu flauen, kraftlosen Abzug zu zeigen?
Wie kann man dem Fotografen gerecht werden?
Ich bin froh, dass ich diese Fragen nicht beantworten muss. ;-)

Zur Ausstellung gibt es eine sehr umfangreiche Veranstaltungsreihe, die meisten Vorträge sind aber bereits vorbei. Am Freitag (24.06) gibt es aber noch eine Tagung „Mit Kamera und Schreibmaschine“ zu Erich Grisar und zur Arbeiterfotografie. Die Veranstaltung ist kostenlos, Weitere Infos und die Anmeldung sind über die Internetseite www.ruhrmuseum.de/tagung-grisar zu finden.
(Ich habe an dem Tag einen Fotoworkshop und kann leider nicht teilnehmen, ärgerlich)

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Illustration Kaffeetasse

geschrieben/aktualisiert: / 24. Mai 2020

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